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Der Greis sezte seinen Weg fort. Da fand er auf dem betretenen Pfade eine Eichel. Schon hatte der Regen durch seine befruchtende Kraft den Keim hervorgelockt; die äußere Schale war zerspalten. Aber der Keim konnte nicht wurzeln auf dem harten kahlen Pfade.

Der Greis bückte sich, nahm sie auf und sprach: Schön, daß mich mein Weg hierher führte. Leicht hätte dich der Fuß des Wanderers zertreten, oder der Sonnenstrahl vertrocknet. Wohl mir, hier kann ich ein gutes Werk thun, und meine innere Empfindung durch That vollenden, indem ich die Zwecke der weisen Natur befördere, die mit jedem Athemzuge uns eine Wohlthat erweiset. Auch die kleinste Dankbarkeit ist eine süße Pflicht.

Ein Jüngling, der hinter dem Eichbaum stand, hatte die Worte des Braminen vernommen. Er trat hervor, und lächelte spöttisch. Warum lächelst du? fragte ihn der Greis. Der Jüngling antwortete: Ueber deinen kindischen Sinn, mein Alter, daß du dich freuen kannst, einer Eichel das Leben gerettet zu haben. Jüngling, sagte der Bramin, wie vermagst du meinen Sinn zu kennen, da du mich heute zum erstenmal stehest? Und warum spottest du des kleinen Dienstes, den ich der Natur zu leisten gedenke? Ihr gilt das Samenkorn so viel als der Baum, und ohne jenes wäre dieser nicht.

Auch die Tugend, mein Sohn, beginnt mit dem Kleinen, und steigt von diesem zu dem Größern hinauf. Aber je mehr sie sich dem Urbilde und der Vollendung nähert, um desto mehr neiget sie sich zur Demuth und zur Einfalt. Und dann gilt ihr das Kleinste so viel

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als das Höchste. Sendet nicht auch Brama seinen Strahl und Thau auf den Grashalm und die Palme hernieder? So sprach der Greis mit freundlichem Ernst.

Der Jüngling entfernte sich schweigend und voll Ehrfurcht. Er hatte den edlen Greis in seiner Würde gesehen. Er wünschte, zu sein wie er. Denn selbst der Leichtsinn muß in seinem Herzen die Tugend verehren.

Der Bramin sezte seinen Weg fort zu einem Hügel, der ringsumher mit Dornen bewachsen war. Ihm be= gegnete ein Handelsmann und fragte: Denkest du noch aus der Eichel dir einen Baum zu erziehen? du wirst wohl schwerlich dich seines Schattens erfreuen!

Der Greis antwortete und sprach: Muß man beim Pflanzen nur an den Schatten des Baumes und an sich selber denken? Macht es denn die Natur so? Mein Sohn, wer nicht erst seit Gestern und Vorgestern ge= pflanzt hat, findet in dem Pflanzen selbst seinen Beruf und seine Freude.

Er kam an den Hügel. Auf der Spize deffelben, unter den Dornen, vergrub er die Eichel, und bedeckte ste sorgsam mit Erde und Moos. Wie? unter Dor: nen pflanzest du? rief ihm ein Hirt entgegen; du sorgest übel für deinen Pflegling. Freund, erwiederte der Bramin, so lange das Pflänzchen zart und klein ist, werden die Dornen es vor rauhen Winden und Verlezung beschirmen, und nimmt es zu, so wird es sich selbst hindurcharbeiten. Denn es ist eine Eiche. Mein Sohn, ich habe diefes der Natur abgelauscht. Die gute

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Mutter bedenkt zugleich die Zartheit und die Stärke ihrer Pflegekinder.

Wer am

Nachdem der Greis sein Werk vollbracht hatte, trat er fröhlich den Rückweg zur Heimath an. Wege baut, dacht er, hat viele Meister! Erfahrene geht seinen eigenen Gang!

Aber der

Als er sich seiner Hütte näherte, sprangen ihm Enkel und Urenkel entgegen, und fragten: Wo bist du so lange gewesen? Er aber versammelte sie um sich her und erzählte ihnen alles, was ihm widerfahren war. Und die Kindlein liebkoseten dem Greise, während er redete, die ältern aber hingen an seinen Lippen und hörten ihm zu. —O, sagte der Greis, als er vollendet hatte, es ist doch nirgend schöner, als in dem Schooße der Natur, wenn man kindlich ihren Vater liebt, und in dem Kreise der Seinen, wo man kindlich geliebt wird. Ja, liebevoller Brama, rief er, und blickte zum Himmel empor im stillen Kreise der Natur und des häuslichen Lebens steht dein heiliger Tempel!

Die neugepflanzte Eiche wuchs bald aus dem Keim hervor, und erhob sich über die Dornen und ward ein krauser schattiger Baum. Da starb der Greis, und seine Geliebten begruben ihn auf dem Hügel. Und wenn sie den Baum sahen und sein Säufeln hörten, gedachten ste des Lebens und der weisen Sprüche des Braminen bis zu den spätesten Zeiten, und erzählten von ihm, und suchten zu werden wie er.

Denn das Wort eines weisen Mannes ist wie ein Samenkorn im fruchtbaren Boden.

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Da begann der zweite Sohn: Ich habe den Stein, den der kleine Bruder fortwarf, gesammelt und aufgeflopft. Es war ein Kern darin, der schmeckte so füß, wie eine Nuß. Aber meine Pfirsich hab' ich verkauft, und so viel Geld dafür erhalten, daß ich, wenn ich nach der Stadt komme, wohl zwölfe dafür kaufen kann. Der Vater schüttelte den Kopf und sagte: Klug ist das wohl, aber kindlich wenigstens und natürlich war es nicht. Bewahre dich der Himmel, daß du kein Kaufmann werdest!

Und du Edmund? fragte der Vater. - Unbefangen und offen antwortete Edmund: Ich habe meine Pfirsich dem Sohn unsers Nachbars, dem kranken Georg, der das Fieber hat, gebracht. Er wollte sie nicht nehmen. Da hab' ich sie ihm auf das Bette gelegt, und bin hinweggegangen.

Nun! sagte der Vater, wer hat denn wohl den besten Gebrauch von seiner Pfirsich gemacht?

Da riefen sie alle drei: das hat Bruder Edmund gethan! - Edmund aber schwieg still. Und die Mutter umarmte ihn mit einer Thräne im Auge.

Mütterchen,

26.

Das Melkenbeet.

Mütterchen, gib uns jedem ein Blumenbeetchen, das uns zugehöre, mir eins und Gustav eins, und Allwina eins, und jeder pfleget dann des seinigen.

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