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so lange ruhig, bis die Würtemberger ganz nahe an ihre Mauern gekommen waren und sich schon Herren der Stadt glaubten. Auf einmal brachen sie aus einer verborgenen Pforte hervor und fielen ihre Feinde mit so gewaltigen Stössen an, dass der junge Graf Ulrich, welcher das erste Treffen anführte, zurückweichen und ihnen das Schlachtfeld überlassen musste. Als der alte Graf die Niederlage sah, ergrimmte er und machte seinem Sohne die bittersten Vorwürfe über seine Flucht.*) Er wollte das Treffen herstellen und drang mit dem Ueberreste seiner Truppen von Neuem in die Haufen der Bürger ein; allein diese waren nun schon durch ihren ersten Sieg muthig gemacht und empfingen seinen Angriff mit einer solchen Herzhaftigkeit, dass auch er verwundet zurückweichen musste, und kaum sich noch auf seinem Pferde retten konnte. In dieser Schlacht sind drei Grafen, an die hundert Ritter und mehrere Knechte geblieben; der Verlust der Bürger war nicht halb so gross, aber ihr Muth desto grösser geworden.

Als die Städte von Schwaben durch den Bund, welchen sie 1381 mit jenen am Rheine schlossen, noch mächtiger geworden waren, brach der Krieg im Jahre 1388 zwischen ihnen und den Grafen von Würtemberg mit neuer Wuth aus; fast alle Fürsten und Städte in Schwaben haben daran Theil genommen. Graf Eberhard konnte den Verlust nicht verschmerzen, welchen er bei Reutlingen erlitten hatte, und sein Sohn, der junge Graf Ulrich, wollte den Schimpf, welchen er dort von seinem Vater erdulden musste, mit dem Blute der Bürger abwaschen. Bei Wyl oder Taffingen kam es zwischen beiden Parteien zu einer grossen Schlacht, worin die Ehre der Würtemberger gerächt werden sollte. Das blutige Gefecht ging bei letzterem Orte an, die bürgerlichen Haufen wollten da einen Kirchhof erstürmen, wohin die Würtemberger ihre Geräthe und Habseligkeiten geflüchtet hatten. Als dies der junge Graf Ulrich bemerkte, rückte er schnell mit dem Vortrab auf den Haufen der Städter heran und stürzte sich mit einer solchen Kühnheit in ihre Reihen, dass er mit den Grafen von Löwen

*) Er hat sich sogar von ihm am Tische geschieden.

stein, von Zollern und Werdenberg, nebst sechzig Rittern auf dem Platze blieb.

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Dieses ausserordentliche Gemetzel unter den Edeln des Landes setzte die Würtemberger in Schrecken. Sie zogen den erschlagenen Sohn unter den Verwundeten hervor und wollten das Mitleid des Vaters erregen; aber der alte Eberhard blickte kaum die Leiche an. Unerschüttert stand er mitten unter den Schlagenden und Erschlagenen: Was bekümmert Euch der Tod meines Sohnes," sagte er, „er gilt nicht viel mehr als der eines andern Soldaten. Seht Ihr denn nicht, dass die Feinde schon die Flucht ergreifen? Auf, lasst uns den Sieg verfolgen.“ Diese Worte verwandelten das Mitleid und die Furcht der Würtemberger in Wuth und Rachegefühl; sie stürzten sich, durch das Beispiel des Alten ermuntert, in die Haufen der Bürger; diese sahen sich um und glaubten wirklich, dass unter sie die Flucht gekommen sei. In diesem entscheidenden Augenblicke erschien Wolf von Wunnenberg hinter ihnen und fiel ihren Rücken an. Er war zwar ein erbitterter Feind Eberhard's und einer von denen, welche ihn im Wildbade fangen wollten; allein sein Hass gegen die Bürger war stärker als der gegen den Grafen. Jetzt kam er den Würtembergern zu Hülfe und entschied den Sieg. Die Bürger, so unverhofft und im Rücken angegriffen, trennten ihre Haufen und suchten Rettung in der Flucht. Nach der Schlacht wollte Eberhard dem helfenden Ritter seine Dankbarkeit bezeigen und ihn mit sich nach Hof nehmen, um sich bei dem Pocale des Sieges zu freuen ; allein Wolf begleitete ihn nur eine Strecke Weges weit, dann gab er seinem Pferde die Sporen und sagte: „Gute Nacht, Herr Graf! Morgen wollen wir es wieder anfangen, wo wir es gelassen haben." So ritt er davon und plünderte auch gleich wieder ein würtembergisches Dorf. „Nun," sagte Eberhard, „das alte Wölflein hat Wort gehalten. Er hat sich wieder Kochfleisch geholt."

Der Sieg, welchen Eberhard über die Städte erfochten hatte, war vollkommen. Die städtischen Hauptleute, Heinrich von Asberg, Ritter, und Hans Radauer, Bürger von Augsburg, nebst 600 Feinden wurden gefangen, über 1000 blieben auf dem Platze. Die übrigen flohen im Lande herum und suchten ihre

Heimath. Die Beute an Fahnen, Waffen, Geräthschaften und Geld war nicht minder gross; und obwohl der alte Graf diesen Gewinn durch den Verlust seines tapfern Sohnes erkauft hatte, so bekam er doch noch auf dem Schlachtfelde die Nachricht, dass ihm wieder ein Enkel geboren sei, welcher seinen Namen erhielte. „Gott sei gelobt," sagte er hierüber freudig, „nun hat Fink wieder Samen."

Eberhard hatte nun freilich in einem Tage ruhmvollen Sieg und hoffnungsvolle Nachkommenschaft erhalten; allein die Gattin seines gebliebenen Sohnes Ulrich, Elisabeth, sass einsam und beweinte den Tod ihres eben so schönen als tapfern Gemahls. Sie war Kaiser Ludwig's des Baiern Tochter und hatte dem Hause Würtemberg eine beträchtliche Aussteuer an Gütern und Schätzen gebracht. Jetzt aber war ihr der Kirchhof zu Taffingen der liebste Ort, weil dort ihr Geliebter gefallen war. Sie kaufte das Dorf Kunzen dem Kirchherrn von Symozheim ab, und ehrte noch lange dort den rühmlichen Tod ihres Gatten durch Thränen und Gebet.

Vier Jahre nach der Schlacht bei Wyl starb auch Graf Eberhard III., welchen man seiner Streitlust wegen den Greiner nannte. Er war so kühn und tapfer wie sein Ahnherr gleichen Namens, aber auch eben so durchgreifend. Viele seiner Fehden sind daher eben so wenig zu entschuldigen, wie jene Eberhard's II. Indess ist er als der dritte Stifter der würtembergischen Grösse anzusehen. Er brachte die, halbe Grafschaft von Calw, den grössten Theil des Herzogthums von Tek und die Herrschaften von Böblingen, Singelfingen, Waltenberg, Herrenberg, Laufen, Vahingen und Brackenheim nebst vielen andern Städten und Ortschaften an sein Haus. Er bestätigte den Städten und Ländern, welche er erobert oder gekauft hatte, ihre Freiheiten und Verfassungen. Seine alten und neuen Unterthanen würden unter seiner Herrschaft glücklich geworden sein, wenn ihm seine Ruhm- und Fehdesucht Ruhe und Friede gelassen hätte."

Gegen diese mit Liebe für den Helden als frühern Landesherrn durchgeführte Behandlung von Eberhard's Geschichte sticht folgendes, von Schlosser in der Weltgeschichte für's deutsche Volk (Bd. VIII, S. 307) im unparteiischen Geiste

freier Geschichtsforschung über den Helden des Gedichtes gefällte Urtheil um so auffälliger ab, je wahrer es ist: „Herzog Eberhard von Würtemberg war der ärgste Räuber in Süddeutschland, den man sogar in jener Zeit, wo Strassenraub ein ritterliches Handwerk, Unterdrückung der Schwachen ein Ruhm war, durch den Beinamen des Greiners oder Zänkers und später des Rauschebarts ausgezeichnet hat."

Neben Niklas Vogt scheint Pfizer: „Geschichte von Schwaben," unserm Dichter die Hauptquelle gewesen zu sein.

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Fest und bestimmt gezeichnet tritt uns aus dem Gedichte die kräftige Heldengestalt des Rausche barts entgegen, wie sie dem Dichter bei seinem Schaffen vorschwebte. Der wirklichen Geschichte gemäss erscheint er in den aufgenommenen Begebenheiten aus seinem Leben hochbejahrt als Greis, ja sogar als Urahne: Glück zum Urenkelein!" ruft im letzten Gedichte der Bote aus (IV, 77), und der „Sohn trifft den alten Vater allein beim Mittagsmahl" (III, 79). Auch sonst wird er immer als alt, als Greis bezeichnet: „Der alte Rauschebart reitet aus Stuttgards Mauern (I, 3), um das Wildbad aufzusuchen, das Greise wieder jüngt," und hier ist es dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib, ,,zu waschen und zu strecken den narben vollen Leib" (I, 23 24); und später hält er zu Rosse mitten unter seinen treuen Bauern (II, 24); „der alte Greiner" reicht dem Wolf von Wunnenstein die Rechte dar. Und wie der narben volle Leib nicht bloss für ein kämpfevolles, sondern auch für ein hohes Leben Zeugniss ablegt, so thut letzteres auch die Erwähnung seines grauen Bartes" (IV, 71). Ausser dieser bloss äusserlichen Erscheinung seiner Persönlichkeit interessirt uns vorwiegend seine echte ritterliche Heldengestalt. Der Rauschebart zeigt sich ganz in dem Geiste eines deutschen fürstlichen Helden und Ritters der damaligen Zeit, ist mit allen seinen Mängeln und Vorzügen als Repräsentant seines Zeitalters und seines Standes gezeichnet, und wenn wir bei ihm als Fürsten auch bedauern müssen, dass er mit seinen Standesgenossen die dynastischen und Sonderlandsinteressen den allgemeinen deutschen überordnet, so er

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scheint er doch in seinem Heldencharakter, der überdies vorwiegend, ja ausschliesslich der eigentliche Gegenstand der Dichtung ist, als durchaus deutsch, und das Gedicht gewinnt dadurch an allgemeinem deutschen Interesse.

Wie lässt nun der Dichter diesen Charakter zur Erscheinung kommen? Nicht bloss dadurch, dass der Rauschebart „ein Held von stolzer Art" (I, 3) oder ein „,alter Kriegesheld" (I, 43), oder ein „ritterlicher Held" (IV, 79) genannt wird, sondern auch dass wir ihn als echten Helden sprechen. hören und handeln sehen. So lässt er sich das Schwert zur Seite binden, um nöthigenfalls seine Freiheit oder wohl sein Leben gegen die ungeheure Uebermacht seiner Feinde möglichst theuer mit Blut zu verkaufen, und wir glauben dem Dichter gern, wenn er sagt:

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Wie herb das Fliehen schmecke, noch hat er's nie vermerkt, Viel lieber möcht' er fechten, das Bad hat ihn gestärkt."

Am überraschendsten und stärksten bricht aber sein Mannesmuth im Dienste seiner Heldengrösse im vierten Gesange beim Falle seines einzigen Sohnes durch. Als der Schrecken und Schmerz über den tief empfundenen Verlust ein Schwanken in den Reihen der Seinen zu erzeugen droht (IV, 33 — 36),

Da ruft der alte Recke, den Nichts erschüttern kann:
Erschreckt nicht der gefallen, ist wie ein andrer Mann.

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Schlagt drein! die Feinde fliehen!" Er ruft's mit Donnerlaut; Wie rauscht sein Bart im Winde! Hei! wie der Eber haut! Wie ein Eber haut der Eberhard! Damit wir aber ja nicht glauben, seine Tapferkeit und sein kriegerischer Sinn haben eine starre Herzlosigkeit selbst gegen die erzeugt, die ihm schon von Natur am Nächsten stehen mussten, erfahren wir gleich darauf (IV, 61-64):

Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Greis die Nacht

Bei seines Ulrich's Leiche, des einz'gen Sohns, verbracht.

Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet sein Gesicht.

Ob er vielleicht im Stillen geweint, man weiss es nicht.

Eine solche Darstellung des stummen, aber tiefen, tiefen Vaterschmerzes ist ergreifender als die ausschmückendste Schilderung eines unhemmbar rinnenden Thränenstromes und des verzweifelnden Schmerzes, sie zeigt uns die starke, charakter

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