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scheinungen innerhalb der deutschen Literatur ferner nicht mehr bestechen lassen, sie abzuleugnen, wo sie nicht abzuleugnen sind.

So ist denn durch Lothario die Reform der Besigverhältnisse anerkannt, indem zugleich die Notwendigkeit deutlich wird, daß diese Reform nicht über das Jenseits des Meeres hinausgeschoben, sondern schon hier mitten in den firen Feudalzuständen der alten Welt in Angriff genommen werde. Denn hier oder nirgend ist Amerika!" und hier oder nirgend ist Herrnhut!" ruft Lothario aus. Wir sehen wiederum, daß die Herrnhuterei als ein Versuch, eine auf altevangelischer Brüderlichkeit und Gemeindlichkeit beruhende Societät herzustellen, betrachtet werden muß, und wie dergleichen societäre und industrielle Sekten, welche das Bürgerliche und Kirchliche verschmelzen, mögen sie übrigens Namen tragen wie sie wollen und selbst jesuitischer Natur sein, etwas Verwandtes haben, so ist speciell den Herrnhutern und den Simonisten dies gemein, daß sie einen liebenden Vater an die Spiße des Gemeinwesens stellen, einen Priester, der zugleich weltliches und geistliches Oberhaupt sei, daß ihre Verfaffung auf der Autorität und Pietät beruht, also patriarchalisch ist. Aber die Grundfäße des Herrnhutianismus werden schon in den Lehrjahren überwunden; denn so spricht sich auch der weltverständige Lothario gegen die Torheit des Grafen aus, weil er sein Vermögen der Brüdergemeinde hingegeben, im Glauben seiner Seele Heil dadurch zu fördern; „hätte er, sagt er, einen geringen Theil seiner Einkünfte aufgeopfert, so hätte er viel glückliche Menschen machen, und sich und ihnen einen Himmel auf Erden schaffen können. Selten sind unsere Aufopferungen thätig; wir thun gleich Verzicht auf das, was wir besigen.“

Die Idee der Entsagung, welche sich schon durch die Lehrjahre hindurchzieht, und nun vollends das Epigraph der Wanderjahre wird, ist nämlich in der ganzen Dichtung zwiefach zu faffen, einmal nach dem Ethischen und Innerlichen, dann nach dem Praktischen und Gesellschaftlichen. Es soll also auch dem Besthe entsagt werden im Interesse der Societät; nur soll das rechte Maß der Entsagung auch hier gefunden werden. wird dies bereits im siebenten Buche der schon didaktisch werdenden Lehrjahre angedeutet, und jenes spätere: Besiß und Gemeingut, das Princip des Götheschen Socialismus, schwebt uns wiederum vor.

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In diesen nunmehr praktisch socialen Problemen, welche nach vollendeter Ausbildung des Subjects, das fortan zur bestimmten Weltthätigkeit sich erschließen soll, durch die Umgestaltung des bürgerlichen Lebens im Wege der Association, der Kolonisation und eines ermöglichten Weltbundes sollen gelöst werden, haben wir die Fäden, welche aus den Lehrjahren zu den Wanderjahren hinüberleiten.

Wilhelm Meister's Wanderjahre oder die Entsagenden.

„Dieses sollte aber andeuten, daß man auch die anderen Bürger jeden zu dem Einen Geschäfte, wozu er geeignet ist, hinbringen müsse, damit jeglicher des Einen ihm eigentümlichen sich befleißigend nicht Viele, sondern Einer werde; und so auch die gesammte Stadt uns zu Einer erwachse und nicht zu vielen."

Platon in der Republik.

Erhebung auf den höheren Grad theoretisch vollzogen wurde. Der durch die That der Natur selbstständig gewordne Mann reicht dem selbstständigen Weibe die Hand. Das unbedingte

Streben ist also schön beschränkt und auf den Kreis der bürgerlichen Wirksamkeit hingewendet. Und so blicken Wilhelm und Natalie vorwärts in die Zukunft, wo die Organismen des fittlichen Lebens, die Familie und die Gesellschaft, durch ihre eigene Energie sollen producirt werden. Damit bes ginnen die Wanderjahre. Wir haben demnach den Uebergang zu ihnen auch von der materielleren Seite zu suchen.

Lothario's Verhältnisse sind in Bezug auf Vergangenheit und Zukunft bereits an Amerika geknüpft und schon treten die später ins Werk zu sehenden Kolonisationspläne entschieden hervor. Die fernere Socialreform, welche in den Wanderjahren das Schibolet: Besiß und Gemeingut, an der Stirne trägt, wird gleichfalls schon von Lothario bevorwortet, denn er spricht sich dahin aus: daß er zwar bei der Wirtschaft seiner Güter auf gewissen Rechten strack und streng halten müsse, daß er andere Befugniße aber abgeben wolle. „Und soll ich diesen wachsenden Vortheil allein genießen? Soll ich dem, der mit mir und für mich arbeitet, nicht auch in dem Seinigen Vortheile gönnen, die uns erweiterte Kenntniffe, die uns eine vorrückende Zeit darbietet?" Demgemäß dringt Lothario auch auf die Tilgung des Privilegiums in Betreff der Titel und Lasten des Besizes. „Denn durch diese Gleichheit mit allen übrigen Besizungen entsteht ganz allein die Sicherheit des Bes sizes." Er dringt auf die Aufhebung der Majorate, um die Befißtümer unter die Kinder gleicher zu verteilen und alle in eine lebhafte, freie Thätigkeit zu versegen, „statt ihnen nur die

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