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Nathan der Weise

und sein

Gleichniss von den drei Ringen.

Nathan der Weise ist als Dichtung und seit Anfang des 19. Jahrhunderts vorzüglich auch als Theaterstück ein Werk von der grössten Bedeutung. Der hohe poetische Werth nach Inhalt und Form, der zarte, das Ganze durchwehende tief wohlthuende Duft ächter Humanität und Seelenschönheit, sind so allgemein anerkannt und hochgepriesen, dass darüber jede Bemerkung überflüssig erscheinen muss. Die Wirkung seiner Lectüre war gleich anfangs und später noch mehr die seiner Aufführung um so gewaltiger, je stärker der Lichtglanz in die Dunkelheit der religiösen Lebensanschauungen, in die Verwirrung der wichtigsten Begriffe und Ansichten über die heiligsten Angelegenheiten der Menschenbrust und des Menschenlebens, vorzüglich über christliche Gottesfurcht und ächte Menschenwürde, plötzlich eindrang. Zur Zeit des ersten Erscheinens in der Literatur und auf der Bühne war das lebendige Christenthum meist in todten Buchstabendienst und in mechanische Orthodoxie ausgeartet; der Werth des Menschen wurde nach dem Lippenbekenntniss kirchlicher Symbolgläubigkeit oder nach dem Geklingel mit frömmelnder Phraseologie, nicht nach dem Massstabe wahrhaft sittlicher Denk- und Handlungsweise, ächt frommen Gottvertrauens und still waltender Tugend- und Nächstenliebe beurtheilt. Ueber Rechtgläubigkeit und Irrgläubigkeit hatten sich heftige und zum Theil höchst ärgerliche Streitigkeiten und literarische Fehden entsponnen, in die sich Lessing

Archív f. n. Sprachen. XXXI.

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selbst namentlich durch die weltberühmte Herausgabe der Wolfenbüttler Fragmente tiefverwickelt, durch die er sich bittere Anfeindung und sogar ernste Gefährdung seiner Stellung zugezogen hatte. Der heftigste Eiferer gegen ihn war der Hauptpastor Göze in Hamburg. Lessing gerieth auf den Gedanken, den theologischen Streit in das Gebiet der Poesie zu verlegen und durch scharfgezeichnete Charaktere und Individualitäten mit lebhaften Farben anschaulich zu machen, was nach seiner Ueberzeugung wahre Religion und wahre Menschenwürde sei. Insofern erscheint diese Dichtung allerdings als ein Tendenzstück im besseren Sinne des Wortes. Die Tendenz ist nämlich eine durchaus sittliche, da Lessing wie bekannt allen seinen classischen Dramen einen ethischen Zweck zu Grunde legte. Ob Lessing im Besonderen auch für die bessere Anerkennung und Beurtheilung des Judenthums dabei wirken wollte, lasse ich als sehr zweifelhaft dahingestellt. Allerdings verfolgte er schon in dem Lustspiele „Die Juden," welches er im Jahre 1749, also im zwanzigsten seines Lebensalters, dichtete, unzweifelhaft den Zweck, den Vorurtheilen gegen die damals vielfach bedrückten und zurückgesetzten Israeliten entgegenzutreten. Allein unterdess hatten sich mit dem Umfange seiner Lebenserfahrungen und Lebenskämpfe seine Lebensansichten und Lebenszwecke wesentlich erweitert. Nur den Bekennern des jüdischen Glaubens, etwa seinem Freunde Mendelssohn Liebe, nützen zu wollen, würde jetzt dem weitschauenden und weitstrebenden Geiste Lessing's eine zu geringe und zu beschränkte Aufgabe gewesen sein. Der in ihm durch die Engherzigkeit und Kurzsichtigkeit seiner Gegner auf dem Gebiete theologischer Polemik erzeugte Plan war höherer und mehr universaler Natur. Ueberhaupt hatte sich Lessing ein Ideal von dem Berufe und von der Kunst des dramatischen Dichtens gebildet, welches ihn im Tiefsten der Seele mit der erhabensten Begeisterung erfüllte, für dessen Verwirklichung er alle Kräfte seines Geistes aufgeregt, alle Liebe seines Herzens erglüht fühlte. Das deutsche Theater zu einer allgemeinen, tiefeingreifenden Bildungsanstalt für höhere Lebensanschauungen, zu einer wahren Hochschule der Menschen- und Sittenkenntniss, des Geschmackes und der Nationalität zu erheben, das war das

hohe Ziel, das er mit unermüdeter Rastlosigkeit vorzüglich noch im reifsten Mannesalter zu erreichen strebte. Ideale Geistesrichtung, begeistertes, aufopferndes Streben sind von dem gemeinen stumpfsinnigen grossen Haufen der undankbaren Mitwelt nie erkannt, nie gefördert, noch weniger belohnt, vielmehr stets verkannt, gehemmt, verfolgt und verhöhnt worden. So erging es auch Lessing, der die Früchte seines grossartigen Strebens kaum gesehen, viel weniger genossen hat.

Die von ihm tief im Herzen gehegte Grundansicht, dass die wahre Religion weder in geistlosen Formeln und Symbolen, noch in gleichgültigen Gebräuchen und Ceremonien, sondern in innerster Herzenslauterkeit und Gottesfurcht, in reinster Tugendübung und Menschenliebe beruhe, diese Ansicht sollte das Glaubensbekenntniss der gesammten Menschheit für Herz und Leben werden. Diese Wahrheit dem Volke zu predigen, hielt er die Bühne für mindestens eben so geeignet, als die Kanzel. Nathan der Weise sollte von der Bühne herab der Verkündiger dieser einzig wahren Religion und Lebensweisheit werden. Dass diese Religion und Lebensweisheit in höchster Vollendung nicht die irgend einer andern Religionsform, sondern nur eben gerade die des Christenthums ist, hat nicht nur Lessing in seiner Dichtung, sondern auch Jeder, welcher dieser Dichtung und ihrer Darstellung unbedingten Beifall zollt, ganz ausser Acht gelassen. Lessing überträgt die Vertretung seiner Grundidee von dem wahren Wesen der Religion und Religiösität vorzüglich den beiden Hauptcharakteren des Stückes, Nathan und Saladin. Allein beide sind ja nur Erzeugnisse der dichterischen Phantasie, zum Theil philosophischer Abstraction oder Reflexion; keiner trägt das Gepräge historischer oder concreter Wirklichkeit. Nathan ist selbst in der Quelle des Märchens, welches zu dem dramatischen Gedichte Anlass gab, als Melchisedech nichts mehr und nichts weiter als ein schlauer, geiziger und wucherischer Jude. Männer, die immer nur schenken, bis zur Verschwendung schenken u. s. w., möchten doch wohl unter Juden mindestens eben so selten als unter Christen sein. Wäre der edle Moses Mendelssohn das Urbild zu Nathan, so ist es offenbar, dass dieser nur der Geburt nach ein Jude war. Der historische Saladin war schwelgerisch, pracht

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