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Resultate zu gelangen, müssen wir davon ausgehen zu fragen, was für Zwecke bei der Erlernung einer fremden Sprache in der Schule erreicht werden sollen. Zunächst ist es selbstverständlich, dass das grösste Gewicht auf das schliessliche Factum des Lernens selbst zu legen ist; das Resultat des Lernens soll sein, dass der Schüler den sprachlichen Stoff gründlich und fest weiss und anwenden kann. Aber an diesem blossen Factum ist es nicht genug; der Schüler soll auch den Sprachstoff von vornherein so lernen, dass derselbe so viel wie irgend möglich formal bildet. Dass dieser letztere Zweck von grosser Wichtigkeit ist, dass er auch bei der Formenlehre durchaus nicht vernachlässigt werden darf, darüber herrscht kein Zweifel; um so unentschiedenener und unklarer aber scheint man darüber zu sein, worin die formal bildende Kraft der Erlernung einer fremden Sprache, namentlich der Formenlehre, bestehe. Schmitz, Encyklopädie des philologischen Studiums der neueren Sprachen, sagt S. 149: „Die herrschenden Vorstellungen über die bildende Kraft des Studiums einer Sprache sind noch sehr dunkel, unbestimmt, verworren und miteinander im Widerspruch. Der Eine preist die lateinische Sprache als das wahre UniversalBildungsmittel, und legt dabei das grösste Gewicht auf ihre Elemente; der Andere erklärt kurzweg, dass das Erlernen einer Sprache, also auch der lateinischen, wenig oder gar keine bildende Kraft in sich habe." Herr Schmitz selbst geht auf diese Frage, soweit sie die Elemente, die Formenlehre betrifft, nicht weiter ein, sondern erledigt dieselbe mit den Worten: „Das Erlernen auch der Elemente ist bildend, aber jedenfalls nur elementarisch bildend." Damit werden die Vorstellungen von der bildenden Kraft der Formenlehre um nichts klarer und bestimmter; was soll man unter „elementarisch bildend“ verstehen? Auch in dem Abschnitte 15 Bildende Kraft der Elemente der Sprache p. 363 wird auf das Einzelne, worauf es hier gerade ankommt, nicht näher eingegangen. Wenn man in dieser Frage über ganz allgemeine Bemerkungen hinauskommen und sich etwas Bestimmtes unter der bildenden Kraft, welche in dem Erlernen einer Sprache, besonders der Formenlehre, liegt, denken will, so kann man nur Folgendes darunter verstehen.

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1) Das Erlernen des Sprachstoffes wirkt zunächst dadurch bildend, dass das Gedächtniss geübt wird. Denn diese Uebung soll nicht eine rein mechanische und auf den zu erlernenden Gegenstand beschränkte sein, so dass der Schüler, wenn er z. B. französisch lernt, nur Uebung erhielte im Auffassen und Behalten französischer Wörter und Formen; sondern diese Uebung soll insofern eine allgemein bildende für das Gedächtniss sein, als der Schüler von vornherein angeleitet wird, beim Erlernen einer Sprache sich einer gewissen Gedächtniss-Ordnung zu befleissigen, damit es ihm allmälig klar werde, dass die Hauptstütze für das Gedächtniss Ordnung ist. Dieser Punkt ist so einfach und klar, dass es nicht nöthig ist, darüber weitere Erörterungen zu geben. Vergleichen wir in diesem Punkte das Französische und Lateinische in Bezug auf ihre bildende Kraft, so scheint mir das Lateinische, auf der ersten Stufe des Unterrichts wenigstens, den Vorrang zu behaupten, und zwar aus zwei Gründen. Erstens sind die gewichtig und voll und kräftig klingenden Wörter der lateinischen Sprache leichter aufzufassen, während die französischen Wörter zum Theil zu flüchtig klingen und in ihren Lautverhältnissen für ein ungeübtes Ohr sehr schwer zu fassen sind. Zweitens ist die Formenlehre des Lateinischen in ihren ersten Anfängen einfacher und klarer, und der Schüler erblickt darin eher eine feste Ordnung als in den Elementen der französischen Sprache, die zum Theil für ihn complicirt und schwer zu verstehen sind.

2) Die bildende Kraft, die das Erlernen einer Sprache hat, besteht ferner darin, dass der Schüler angeleitet und gewöhnt wird zu beobachten, ein Object als solches zu sehen und richtig aufzufassen, im Selbstfinden und Selbstmachen sich zu üben. Mit Recht macht Schmitz hierauf besonders aufmerksam, indem S. 405 hierüber sagt: „Es giebt kaum einen grösseren pädagogischen Verstoss, als die Kinder der Arbeit des Selbstfindens und des Selbstmachens, wo dies eben möglich ist, zu überheben oder zu berauben."

3) Das bei Weitem wichtigste Moment ist folgendes. Das Erlernen des Sprachstoffes soll hauptsächlich dadurch bildend

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wirken, dass der Verstand, die Denkkraft im engeren Sinne geübt und ausgebildet wird. Die Gesetze oder Formen, innerhalb deren das Denken, das Verstandesleben des Menschen sich bewegt, sind sehr einfach und der Zahl nach nicht gross. Die Entwickelung dieser Formen, die im Menschen langsam und unter mannigfachen Hemmungen vor sich geht, soll durch den Unterricht überhaupt gefördert und gekräftigt werden; namentlich aber ist der Sprachunterricht, wenn er richtig gehandhabt wird, ganz vorzüglich dazu geeignet, dem Schüler Gewandtheit, Leichtigkeit und Sicherheit in der Anwendung der einfachen Operationen des Denkvermögens zu verschaffen. Wenn wir nun die einzelnen Hauptformen des Denkvermögens, auf deren Entwickelung es hier ankommt, näher betrachten, so finden wir, dass der Schüler, wenn er die Formen einer fremden Sprache zu lernen anfängt, zunächst Schlüsse nach der Analogie machen muss, ohne natürlich schon ein Bewusstsein von diesem Vorgange zu haben. Wenn er z. B. porta gelernt hat, und er soll nun die einzelnen Casus von einem anderen Worte nach der ersten Declination angeben, so kann er dies nur thun, indem er nach der Analogie schliesst. Eben so wenn er laudare gelernt hat, und nun Formen von einem anderen Verbum auf are bilden soll, so kann er dies nur thun, indem er stets auf laudare zurückgeht und nach der Analogie davon die Formen bildet. Den meisten Schülern wird diese Schlussform, namentlich bei der Declination, sehr leicht; bei dem Verbum wird die Sache für viele schon schwieriger; beim griechischen Verbum häufen sich die Schwierigkeiten bekanntlich noch mehr. Auch das französische Verbum, namentlich die Verba auf oir, machen dem Schüler meistens Schwierigkeiten. - Eine zweite Form, in welcher der Schüler bei der Erlernung einer Sprache von vornherein geübt wird und geübt werden muss, ist Schlüsse vom Einzelnen auf das Allgemeine zu machen. Die einfachen allgemeinsten Sprachgesetze muss er auf diesem Wege sich aneignen, z. B. das Gesetz von der Uebereinstimmung des Prädicats mit dem Subjecte kann ihm nicht anders wirklich klar werden als dadurch, dass ihm dies Gesetz an zahlreichen einzelnen Fällen vorgeführt wird, und dass dann allmälig das Gesetz wie von selbst als das Resultat, als die nothwendige

Schlussfolgerung aus diesen Einzelheiten sich für ihn ergiebt. In dieser Weise lernt er auch am besten die hauptsächlichsten Genusregeln im Lateinischen. Wenn er an 30, 40 Wörtern auf us nach der zweiten Declination gesehen hat, dass sie Masculina sind, so wird er für sich von selbst den nöthigen Schluss ziehen, und die Regel wird sich in ihm von selbst herausbilden. Unpraktisch ist es, Anfängern gleich die Regel, das Allgemeine zu geben, und dann die Anwendung zu verlangen. Dies führt uns zur dritten Form, die für den Schüler die schwierigste ist, und in deren Anwendung er die meisten Fehler begeht. Es ist dies der Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere. Hier darf man vom Schüler anfangs nicht zu viel verlangen. Bei einer richtigen Methode des Sprachunterrichts wird ihm auch diese Form allmälig geläufig werden, und diese drei Schlussformen werden sich dann so durchdringen und ineinander greifen, dass in der That der Sprachunterricht schon nach dieser einen Beziehung hin in einer Weise bildend wirkt, wie nicht leicht ein anderer Gegenstand. Vergleichen wir in dem dritten Punkte wiederum das Lateinische mit dem Französischen, so scheint mir auch hier das Lateinische in manchen Beziehungen mehr zu bieten als das Französische. Das Substantiv und Adjectiv im Lateinischen mit den Genus- und Flexionsendungen liefert einen viel geeigneteren Stoff als das Französische ihn beim Substantiv und Adjectiv bieten kann. Dies ist auch der Grund, weshalb man mit Recht mit der Erlernung des Lateinischen anfängt. Auf einigen braunschweigischen Gymnasien hat man vor längerer Zeit einmal den Versuch gemacht, mit dem Französischen zu beginnen; die Aenderung bewährte sich aber so wenig, dass man bald zu dem Lateinischen zurückkehrte. ist indess keineswegs zu verkennen, dass gerade auch die französische Sprache in hohem Grade geeignet ist, formal zu bilden und die Geisteskräfte zu üben, und dass sie in manchen Punkten sogar die lateinische übertrifft. Jedenfalls bietet das französische Verbum einen mindestens eben so bildenden Stoff wie das lateinische Verbum; doch hängt Alles davon ab, wie das erstere in den französischen Schulgrammatiken dargestellt wird. Geschieht dies in der Weise wie in der Grammatik von Plötz, d. h. nach dem alten Systeme, so halte ich es nach meinen Erfahrungen

Es

für unmöglich, dass das französische Verbum einen bildenden Stoff liefere; das Höchste, was erreicht werden könnte, wäre ein ganz mechanisches Auswendigwissen der Formen, ohne dass der Schüler im Stande ist, nur einmal Stamm und Endungen zu unterscheiden. Ich will durchaus nicht, dass der Schüler die Formen wissenschaftlich, oder etymologisch-historisch begreifen soll; wie könnte davon die Rede sein bei Schülern, die das französische Verbum etwa in Quinta oder Quarta anfangen zu lernen? Ich will nur, dass der Schüler die Verbalformen in der einfachsten, leichtesten und sichersten Weise lerne, und dass er aus dem Lernen selbst den möglich grössten Gewinn für seine formale Bildung ziehe. Dies kann aber bei dem französischen Verbum nur geschehen, wenn es in derselben Weise gelehrt und gelernt wird, wie das lateinische und griechische Verbum, nicht aber wenn der Schüler es so lernt, dass er nicht einmal Stamm und Endung unterscheiden kann. Es ist unmöglich, dass er bei einem solchen mechanischen Lernen in den oben angeführten Denkformen geübt werde. Bei einem lateinischen Verbum und bei einem griechischen regelmässigen und unregelmässigen wird Niemand es für genügend oder für zweckentsprechend halten, dass der Schüler die Formen mechanisch aufsagen kann; sondern man verlangt mindestens, dass er ihre Bildung aus Stamm und Endung mit den hinzutretenden Veränderungen nachzuweisen im Stande sei. In der griechischen Grammatik von G. Curtius wird ein ganz besonderes Gewicht darauf gelegt, dass die Entstehung der Formen klar und verständlich werde; und die ganze Formenlehre ist überhaupt so behandelt, dass ein reicher Gewinn daraus zu ziehen ist für formale Bildung, indem der Schüler fortwährend angeleitet und angehalten wird, nicht mechanisch auswendig zu lernen, sondern bei der Erlernung der Formen selbstthätig zu beobachten, Schlüsse in den mannigfachsten Verbindungen zu ziehen, zu vergleichen, kurz in der oben angegebenen Weise seine Verstandeskrätfe zu üben und zu bilden. Allgemein wird dies als ein sehr bedeutender Vorzug der griechischen Grammatik von Curtius anerkannt; warum soll die französische Grammatik, und besonders das Verbum, nicht in gleicher Weise behandelt werden? Warum soll der Schüler hier so mechanisch lernen,

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